Eine der wichtigsten Grundlagen des Lebens ist Bewegung. Sie macht Leben überhaupt erst möglich. Ein in seiner Beweglichkeit eingeschränkter Organismus hat Schwierigkeiten zu überleben und ist auf Hilfe angewiesen, weil er sich allein zum Beispiel keine Nahrung mehr beschaffen kann. Ähnlich verhält es sich mit in ihrer Bewegung eingeschränkten Geweben und Organen: es kommt zu einer Störung der Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff (das Gewebe/Organ hat Hunger und Atemnot), weil die Durchblutung und der Stoffaustausch nicht mehr gut funktionieren. Und folglich ist auch ein Abtransport von auf Dauer schädlichen Stoffwechselendprodukten nicht mehr gewährleistet (das Gewebe/Organ fühlt sich nicht wohl, erfährt eine Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit, wird eventuell sogar krank).Werden also die Bewegungen einzelner Körperteile/Organe eingeschränkt, beeinflußt das deren Funktion und deren Umgebung.Viele der Bewegungen des menschlichen Körpers laufen unbewußt ab: Während man die Bewegungen der Muskeln oder Gelenke meist gezielt ausführt, schlägt das Herz unwillkürlich, bewegen sich Zwerchfell und Lungen im Atemrhythmus, Blut, Lymphe und Liquor (Hirn-und Rückenmarksflüssigkeit) fließen in ihren Bahnen, und manchmal für uns gut wahrnehm- und hörbar sind die peristaltischen Bewegungen des Magen-Darm-Traktes. Der menschliche Organismus bildet eine Einheit, und im Idealfall sind alle Gewebe im Körper in Bewegung und harmonisch miteinander verbunden.
Wenn es jedoch zu einer Einschränkung der Beweglichkeit gekommen ist, spricht man in der Osteopathie von einer Dysfunktion. Die Ursachen können vielfältigster Natur sein: Verstauchungen oder Verrenkungen, Verletzungen, aber auch abgeheilte Entzündungen an inneren Organen, operative Eingriffe und die folgenden Narben. Auch können psychische Traumen Bewegungseinschränkungen verursachen. Wir alle kennen den Ausdruck: vor Schreck wie erstarrt sein. Und ebenso haben die Ernährungs- und Lebensgewohnheiten der Menschen einen immensen Einfluß.
Der Körper kann bestehende Dysfunktionen oft sehr lange kompensieren. Kommt aber im Laufe der Zeit eines zum anderen, verursacht eine Bewegungseinschränkung/ Funktionsstörung in ihrer Nachbarschaft eine weitere, so bilden sich regelrechte Ketten, die den Körper durchziehen.
Ein Symptom aber zeigt sich schließlich erst dann, wenn die Fähigkeit des Körpers zu kompensieren erschöpft ist. Die oftmals lange Zeit, in welcher der Körper versucht hat, seine bestmögliche Funktion aufrecht zu erhalten, ist dann zu Ende.
Wichtig für den osteopathisch arbeitenden Heilpraktiker ist zu wissen, daß der Körper lebenswichtige Organe wie z.B. Herz, Lunge oder Leber mit allerhöchster Priorität schützt. Der Bewegungsapparat ist ihm erst einmal nicht ganz so wichtig. Mit anderen Worten: daß die Leber einwandfrei arbeitet, ist wichtiger als z.B. eine gut und schmerzfrei bewegliche Halswirbelsäule. Der Körper zieht nicht selten seine Möglichkeiten zur Kompensation aus Gebieten mit weniger wichtigen Funktionen ab. Das erklärt, warum Schmerzen manchmal von inneren Organen ausgelöst werden können.
Der Blick auf das Ganze
Die Harmonie im menschlichen Körper zu erhalten oder wiederherzustellen ist Ziel der Osteopathie. Schon A.T. Still arbeitete anhand von 4 grundsätzlichen Prinzipien
Der osteopathisch arbeitende Heilpraktiker ist durch die genaue Kenntnis von Anatomie und Physiologie und einen sehr fein entwickelten Tastsinn in der Lage, eingeschränkte Beweglichkeiten im menschlichen Körper zu ertasten. Die ihm in seiner langjähren Ausbildung vermittelten Techniken ermöglichen ihm dann eine Behandlung und Auflösung der gefundenen Dysfunktionen. Außerdem kann der osteopathisch arbeitende Heilpraktiker einschätzen, wo seine Grenzen liegen und eine Erkrankung oder ein Symptom in schulmedizinische Hände gehört bzw. vorerst schulmedizinisch abgeklärt werden sollte.
Einer der dabei faszinierendsten Aspekte der Osteopathie besteht darin, daß der osteopathisch arbeitende Heilpraktiker ständig auf feinste Details achten muß, dabei aber den Blick auf das Ganze nicht verlieren darf. Es geht um die Betrachtung des Körpers als Ganzes und nicht als Summe seiner Einzelteile